Werden und dürfen wir an unseren Genen herumbasteln?
Dr. Pero Mićić über Genome Editing und CRISPR
Die angesehene Zeitschrift “Science” hat ein biochemisches Verfahren zum Durchbruch des Jahres 2015 gewählt: CRISPR/Cas9. Es ermöglicht eine vergleichsweise einfache, schnelle und kostengünstige Veränderung von Genen. Genome Editing und CRISPR versprechen, Medizin und Biotechnologie zu revolutionieren. Wie mit einer Schere lässt sich DNA gezielt an einer bestimmbaren Sequenz zerschneiden.
Genabschnitte können entfernt, verändert, ausgeschaltet oder um neue Bausteine ergänzt werden. Es handelt sich um eine Art ‘biologisches Textverarbeitungsprogramm’, mit dem der Mensch künftig seine Existenz und die seiner Umwelt ‘editieren’ kann. Ein wahrhaft mächtiges Werkzeug. Sozusagen eine Fortsetzung der Evolution mit anderen Mitteln. Dass der Mensch an der Schwelle steht, die Evolution selbst in die Hand zu nehmen, anstatt ihr Spielball zu sein, schürt Hoffnung und gar Allmachtsphantasien bei den einen und Ängste bei vielen anderen. Immerhin hat das Verfahren nicht nur Auswirkungen auf die Lebewesen, sondern auf komplette Ökosysteme. Und im Falle des Menschen auf dessen Selbstverständnis, seine Werte und die sozialen Strukturen, in denen er lebt.
Die Veränderung der menschlichen Keimbahn wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft sehr restriktiv gehandhabt werden, unter anderem deshalb, weil Veränderungen weitervererbt werden. Aber ein Tabu ist sie nicht mehr. In Großbritannien dürfen Wissenschaftler künftig das Erbgut menschlicher Embryonen gezielt verändern – wenn auch zunächst nur zu Forschungszwecken. Und chinesische Wissenschaftler haben bereits Genmanipulationen an Embryonen vorgenommen, um zu testen, ob sich eine genetisch bedingte Krankheit ausmerzen lässt, bei der zu wenig Hämoglobin, also der Farbstoff der roten Blutkörperchen, gebildet wird, ß-Thalassämie heißt sie.
Von einer klinischen Anwendung ist das alles aber noch weit entfernt. Ängste gibt es viele: Sie reichen von der Gefahr des Missbrauchs durch eine sich selbst optimierende und ermächtigende Superelite bis hin zur Auslöschung der gesamten Menschheit durch ‘Mutanten’, die sich genetisch durchsetzen. Es ist durchaus sinnvoll, solche extremen Szenarien zu denken. Sie wirken aber auch unverhältnismäßig in einer Welt, in der jedes Jahr Millionen von Menschen an den Folgen des Alkohol- und Tabakkonsums oder durch Autounfälle sterben, weil sie eigenverantwortlich und relativ sorglos Risiken eingehen und eingehen dürfen.
Verantwortung heißt genau das: Risiken bewusst und vernünftig einzugehen. Aber auch: Chancen zu nutzen. Und die sind immens und zahlreich. Stellen Sie sich die Zukunft vor, wenn CRISPR/Cas9 ausgereift ist:
- Zahlreiche genetische Erbkrankheiten sind ausgerottet
- Krebs und Aids sind heilbar, sogar verhinderbar
- Für den Menschen verträgliche Ersatzorgane können in Tieren gezüchtet werden
- Ertragreichere und robustere Pflanzen haben das Ernährungsproblem einer weiter gewachsenen Weltbevölkerung gelöst
- Der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft konnte dramatisch gesenkt oder gar gänzlich überflüssig werden
- Neue Enzyme haben die Biotreibstoff-Produktion revolutioniert
- Moskitos können Malaria und andere gefährliche Erreger nicht mehr übertragen
Seit jeher ist es das Ziel des Menschen, sich und seine Lebensbedingungen zu verbessern. Dafür nutzen wir Wissenschaft und Technik und überschreiten dabei immer wieder Grenzen. Das ist in gewisser Weise auch eine Emanzipation von einer oft bedrohlichen Natur. Das kann man als menschlichen Übermut und einen nie enden wollenden Optimierungswahn bemängeln.
Aber übersehen Sie bitte nicht, dass wir heute in einer weitaus besseren Welt leben als noch vor 100 Jahren. Eben dem Fortschritt sei Dank. Es ist nur schwer vorstellbar, wie beschwerlich und kurz unser Leben noch wäre, hätten wir frühere Chancen nicht genutzt. Mit CRISPR/Cas9 steht uns eine weitere Technologie zur Verfügung, die uns buchstäblich zu Entscheidungen zwingt.
Sie zwingt uns dazu, souveräner Gestalter unserer Zukunft zu sein – und sei es durch die Entscheidung, diese Technologie explizit nur begrenzt oder gar nicht zu nutzen.
Vielleicht entscheidet sich der Mensch aber auch, sie nicht nur im Kampf gegen Krankheiten, sondern auch als Enhancement-Technologie einzusetzen, um seine physischen und kognitiven Fähigkeiten zu verbessern und ein gesünderes und längeres Leben zu führen. Das sind unbändig starke Bedürfnisse, die zu befriedigen sich manche Leute heute schon viel Geld kosten lassen. Die, die es haben. Wäre es nicht besser, wenn diese Möglichkeiten praktisch jedem zur Verfügung stünden? Mit CRISPR/Cas9 und ähnlichen Verfahren können wir schicksalhaften Krankheiten ein Ende bereiten, unsere Felder pestizidfrei machen und vieles mehr. Allein schon diese Aussichten sind es wert, die Diskussion um Gentechnologien nicht hysterisch und dogmatisch, sondern besonnen und nutzenorientiert zu führen. Die besondere Herausforderung besteht darin, dass wir komplexe Systeme nie vollständig beherrschen können. Wenn wir es uns aber gänzlich verbieten, müssten wir nach dem gleichen Prinzip auch die meisten Medikamente verbieten.
Und jetzt?
Schauen Sie genau hin. Vielleicht arbeiten Sie in einer Branche, die noch nicht erkannt hat, dass und wie sie mit weißer, grüner oder roter Gentechnologie die Probleme ihrer Kunden besser lösen und ihre Wünsche besser erfüllen kann.
Zu Wohle Ihrer Kunden und damit Ihres Unternehmens.
Am Ende dürften – wie so oft – die Vorteile sehr willkommen und die Gefahren weitestmöglich beherrschbar sein.
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Ich wünsche Ihnen eine glänzende Zukunft!
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