Die frühen 2020er Jahre werden im Rückblick den Anfang vom Ende des motorisierten Individualverkehrs und des Verbrennungsmotors markieren. Der Automobilbranche stehen massive Veränderungen bevor, denn die Mobilitätswelt der 2030er Jahre wird eine andere, radikal datenbasierte und serviceorientierte sein. Im schlimmsten Szenario sind die deutschen Autobauer Zulieferer der großen US-IT-Giganten.
Starten wir mit einer guten Nachricht
Die Autohersteller haben in den letzten Jahren einen Absatzrekord nach dem anderen verzeichnet. Zwischen 2016 und 2024 soll die Zahl der pro Jahr verkauften Fahrzeuge um ein weiteres Viertel von 92 Millionen auf auf 114 Millionen steigen. Wo genau liegt also das Problem?
Disruptionsängste als Motor exponentiellen Fortschritts
Die Beschleunigung des technischen Fortschritts setzt Unternehmen, die die Mobilitätswelt der Zukunft visionär mitgestalten wollen, unter einen immer stärkeren Innovationsdruck. Zunehmend erfolgskritisch wird es, Antworten auf Fragen zu finden wie:
- Welche Technologie wird zu welchem Zeitpunkt die ‘Leistung’, die ‘Verbreitung’ oder den ‘Preis’ erreichen, dass sie massenmarkttauglich ist? Und wie schnell wird sie bereits wieder überholt oder veraltet sein?
- Aus welcher Richtung drohen disruptive Veränderungen?
- Welche neuen Player treten in den Markt?
- Wie wird sich die Digitalisierung auf unser Geschäftsmodell auswirken?
Die drohenden ‘Disruptionen’ werden strategisch
- antizipiert
- adaptiert
Weil sich die Automobilhersteller ein möglichst großes Stück vom zukünftigen Kuchen sichern wollen, rühren sie eifrig mit. Damit wird die Angst vor der Gefahr der Disruption von außen zum Motor eines exponentiellen Fortschritts, den alle, auch die etablierten Unternehmen, vorantreiben. Die Folge ist, dass
- die Veränderungen schneller und flächendeckender kommen als gedacht
- Unternehmen ihr traditionelles Kerngeschäft selbst kannibalisieren.
Disruptiert wird nicht die Mobilität selbst
Was genau meint Disruption? Der Elektromotor disruptiert die Mobilität ebenso wenig wie die CD die Musikindustrie. Erst das Aufkommen der MP3 und der digitale Vertrieb von Musik über Plattformen bis hin zu heutigen Streaming-Diensten wie Spotify haben das Musikgeschäft komplett umstrukturiert. Ist das auch im Mobilitätsbereich denkbar? Die Wirkung ‘Mobilität’, lässt sich zwar mit verschiedenen Mitteln erzielen, sie ist aber immer ‘hardware’-basiert, das heißt sie lässt sich nicht digitalisieren, sondern nur digital optimieren (Effizienz) und digital erweitern (Services).
Einen Sonderfall stellen Kommunikationstechnologien dar, die die Notwendigkeit, eine Distanz physisch zurücklegen zu müssen, um Informationen auszutauschen, überflüssig machen. Vom Brief über den Telefonanruf bis hin zur Videokonferenz ist das allerdings nichts Neues. Wir wollen es hier vernachlässigen, auch wenn AR- und VR-Anwendungen einen gewissen Anteil des Mobilitätsaufkommens substituieren könnten.
Die gute Nachricht ist: Immer mehr Menschen werden immer mehr und größere Distanzen zurücklegen. Die Weltbevölkerung wird weiter wachsen, ebenso die Mittelschichten in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Mobilität nimmt also zu. Eine weitere gute Nachricht ist: Das Auto wird die Mobilität der Zukunft noch weitaus stärker dominieren als in der Vergangenheit. Wo genau liegt also das Problem? In Zukunft ist weniger mehr! Weniger Autos, mehr Mobilität…
Maximale Effizienz durch KI
“Mehr mit weniger” heißt höhere Effizienz. Ein effizienteres Mobilitätssystem als Flotten autonom fahrender Elektrofahrzeuge, deren Auslastung und Routen mithilfe Künstlicher Intelligenz optimiert werden und die jedem Fahrgast eine hochflexible Tür-zur-Tür-Mobilität bieten, ist eigentlich nicht denkbar. Eine Ausnahme stellt die U-Bahn als Massentransportmittel in sehr großen Städten dar, die zu Hochzeiten eine große Anzahl von Personen zu ihrem Arbeitsplatz hin oder wieder nach Hause befördern kann. Es lässt sich heute keine genaue Prognose darüber treffen, welcher Anteil autonom fahrender Elektroautos jeweils auf die Individualmobilität und die öffentliche/geteilte Mobilität entfallen wird. Das hängt vor allem von gesetzlichen Regularien und von unserer Einstellung zum Auto und zum Autofahren ab. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass sich ‘Mobility-as-a-Service’ durchsetzen wird, weil der Besitz eines Autos irgendwann keinen erheblichen Vorteil für den Einzelnen mehr bieten wird, ‘Mobility-as-a-Service’ aber einen großen Nutzen für die Allgemeinheit:
- Geringerer Ressourcenverbrauch
- Geringerer CO2-Ausstoß
- Weniger Lärm
- Keine Staus
- Höhere Verkehrssicherheit
- Geringere Mobilitätskosten
- Zeitgewinn während der Fahrt
- Convenience
- Möglichkeit der Umnutzung von Parkplatzflächen
Aktuell werden aufgrund der hohen Feinstaub- und Stickoxid-Belastungen zum Beispiel Diesel-Fahrverbote in vielen deutschen Innenstädten diskutiert. Gegen 28 Städte führt die deutsche Umwelthilfe Klage, weil EU-Grenzwerte nicht eingehalten werden. Die Umrüstung der Fahrzeuge würde Milliarden verschlingen. Doch der Druck ist hoch: In der EU sterben pro Jahr 400.000 Menschen frühzeitig infolge hoher Luftverschmutzung.
Rund 80 Prozent weniger Autos
Effizient und ökologisch nachhaltig: Autonom fahrende, elektrisch angetriebene und gemeinsam genutzte Fahrzeuge könnten nach einer aktuellen Studie beispielsweise den Fahrzeugbestand in den USA von heute 247 Million auf 44 Millionen im Jahr 2030 reduzieren. Das würde aber auch bedeuten: Geld wird nicht mehr mit der Hardware verdient, sondern im neuen Multi-Billionen-Dollar-Markt: ‘Mobility-as-a-Service’. Bestehende Geschäftsmodelle werden durch neue abgelöst – mit weitreichenden Folgen für die Hersteller, Zulieferer, Händler und Werkstätten. Erfolgreich werden diejenigen Unternehmen sein, die die digitale Kompetenz für den Aufbau und den Betrieb der notwendigen Infrastruktur mitbringen, die Hoheit über die Daten besitzen und die Plattformen betreiben, über die auf diesen Daten basierende mehrwertstiftende Services angeboten werden.
Die schlechte Nachricht
Diese Kompetenzen liegen im Augenblick nicht bei den etablierten Automobilherstellern, sondern bei Newcomern wie Tesla und bei IT-Konzernen wie Google, Apple & Co.
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