KI-Übersetzer: Du wirst alle Sprachen sprechen

Dr. Pero Mićić

Seit ich denken kann hieß es, man müsse Fremdsprachen lernen, um beruflich erfolgreich zu sein. Das könnte sich in Zukunft als ein schlechter Rat erweisen. Der Grund: KI-Übersetzer werden immer besser! Was bedeutet das für Ihren Beruf und Ihr Geschäft?

Problem

Viele große Probleme könnten weltweit besser, schneller, müheloser und mit weniger Risiken gelöst werden, wenn man die Sprache der Partner besser verstehen würde.

Lösung

Das Unternehmen Timekettle Technologies aus Los Angeles hat einen KI-Übersetzer, ein so genanntes Hearable entwickelt, das Echtzeit-Übersetzungen durchführen kann. Sie sagen etwas in Ihrer Muttersprache und das Gerät übersetzt es in eine von 40 Sprachen. Simultan, also sofort und unmittelbar. Ihre Gesprächspartner machen es genau so und Sie hören deren Aussage in Deutsch. Das Hearable WT2 Edge braucht für die Übersetzung nur 0,5 Sekunden und hat dabei eine Genauigkeit von bis zu 95%. Timekettle nutzen dafür nicht nur ihre eigene Übersetzungsmaschine, sondern auch andere führende Systeme wie DeepL und Google.

Die sieben meistgesprochenen Sprachen der Welt sind offline gespeichert, damit die Übersetzung ohne Internetverbindung funktioniert, bald werden viele weitere Sprachen auch ohne Internet funktionieren. Der KI-Übersetzer von Timekettle ist keine spinnerte Zukunftsvision. Das System funktioniert heute schon.

Trends

Im Trend-System sind wir hier beim Trend Intelligentisierung, dort dem Subtrend NLP (Natural Language Processing), also Verarbeitung natürlicher Sprache durch KI. Und die Globalisierung spielt eine Rolle.

Ist Ihnen aufgefallen, welche unglaublichen Fortschritte die Übersetzungsmaschinen in den letzten Jahren gemacht haben? Wie hervorragend KI-Systeme schon Texte übersetzen können? Die ersten Computer-Übersetzer gab es in den 1980er Jahren. Den jüngsten Leistungssprung haben wir neuronalen Netzen zu verdanken, die seit wenigen Jahren für Übersetzungen eingesetzt werden.

Und haben Sie gesehen, wie perfekt Google Duplex schon 2018 per Telefon einen Friseurtermin mit einem Menschen vereinbart hat, ohne dass dies am anderen Ende der Leitung gemerkt wurde?

Und künstliche Intelligenz entwickelt sich exponentiell. Wir sind hier immer noch am niedrigen flachen Punkt der berühmten S-Kurve. In drei Jahren werden die KI-Übersetzer nicht nur 20 oder 30% besser sein, sondern um ein Vielfaches besser. Um mehrere hundert Prozent. Kaum jemand kann sich vorstellen, wie perfekt die Übersetzungen und auch das Simultandolmetschen in zehn Jahren sein werden.

Zeithorizont für KI-Übersetzer

Wie schnell wird der Wandel passieren?

Die technische Leistung steigt weitaus schneller als die meisten es sich heute vorstellen können. Die Verbreitung solcher Hearables wie von Timekettle wird sich ebenfalls exponentiell entwickeln, abhängig von den Preisen und davon, wie schnell Menschen ihre Gewohnheiten ändern.

Meine Zukunftsannahme: Um 2030 wird automatisiertes Dolmetschen schon sehr weit verbreitet sein, und immer noch stark wachsen.

Vorteile

  1. Immer noch behindern Sprachbarrieren die internationale Zusammenarbeit in Unternehmen, Behörden und Organisationen und auch in der Politik. Je besser wir uns verstehen, desto schneller und leichter können wir die großen Probleme der Menschheit lösen.
  2. Millionen Menschen, vor allem Schüler, quälen sich durch konventionellen Fremdsprachenunterricht. Zu viele davon sprechen die Fremdsprache dann doch niemals gut genug.
  3. Viele Unternehmen bleiben unter ihren Möglichkeiten, weil Sprachbarriere die Internationalisierung behindern.
  4. Es entstehen neue Märkte für unzählige maschinelle Spezialübersetzer.

Nachteile

  1. Menschen und Unternehmen, die davon leben, Sprachen zu lehren, zu übersetzen und zu dolmetschen, werden ihren Markt schrumpfen sehen. Er wird kleiner, Software wird immer mehr die Arbeit übernehmen, aber der Markt verschwindet natürlich nicht ganz.
  2. Geht die kulturelle Vielfalt verloren? Ich empfehle schon lange, dass Sie aus beruflichen Gründen nur noch Englisch lernen sollten und das möglichst perfekt. Langfristig gesehen wird es Ihnen einfach zu wenig Nutzen bringen, andere Fremdsprachen zu lernen und dafür Ihre Lebenszeit zu investieren. Denn die Übersetzungssysteme sind heute schon besser als die meisten Fremdsprachenlerner jemals werden können, auch wenn sie viele Stunden, Tage und Jahre ins Lernen investiert haben, oft mit großer Mühe. Die Übersetzungssysteme schlagen Sie mit Leichtigkeit. Bald in allen gängigen Sprachen. Und das zu minimalen Kosten.

Warum trotz KI-Übersetzer noch Englisch?

Weil das die heutige und zukünftige lingua franca ist, die Verkehrssprache, die immer mehr Menschen als Zweitsprache sprechen werden. Und weil Sie vielleicht nicht immer so einen Universalübersetzer im Ohr haben können oder wollen. Oder, weil ab und zu einfach der Akku leer ist.

Also, perfekt Englisch, aber keine anderen Fremdsprachen mehr lernen, okay?

Daraufhin gibt es dann immer protestierende Kommentare. Einer davon lautet: Oh nein, die Sprachen werden verschwinden. Schon jetzt sind es nur noch 6500 Sprachen auf der Welt, viele sind schon tot und verschwunden. Das kulturelle Erbe geht doch unwiederbringlich verloren.

Es ist immer wieder faszinierend zu erleben, wie Menschen Ihr emotionales Festhalten am Gewohnten mit vermeintlich logischen Argumenten zu rechtfertigen versuchen.

Wer da protestiert, hat leider nicht logisch gedacht. Meine Empfehlung ist ja nicht, “lerne nur noch Englisch und vergiss Deine Muttersprache”. Sprachen bleiben erhalten, weil die Zahl der Muttersprachler erhalten bleibt. Die Fremdsprachenlerner spielen da weniger eine Rolle. Also dieser Protest geht schon mal ins Leere.

Das zweite typische Protest-Argument ist, dass doch jede fremde Sprache, die man spricht, einem eine zusätzliche Perspektive auf die Welt gibt. Da lese ich dann so etwas wie “also meine Tochter hat in China studiert und ich glaube nicht, dass ihr das geschadet hat”.

Ja absolut, das kann ich nur unterschreiben. Zitieren wir Goethe: “Wie viele Sprachen du sprichst, sooft mal bist du Mensch.” Oder anders: “Du hast so viele Leben, wie du Sprachen sprichst”.

Ich kenne das ja selbst. Ich bin in Belgrad geboren, früher Jugoslawien, heute Serbien. Folglich spreche ich das, was man früher Serbokroatisch nannte. Das ist meine Muttersprache. Großzügig gesagt, spreche und verstehe ich Serbisch, Kroatisch, Bosnisch und Montenegrinisch. Nicht, weil ich so genial bin, sondern weil das im Wesentlichen eine einzige Sprache ist, so ungefähr wie österreichisches und deutsches Deutsch. Bitte, meine Balkan-Freunde, ganz ruhig bleiben jetzt 😊. Wenn Ihr ehrlich seid, versteht Ihr Euch alle untereinander hervorragend. Sprachlich auf jeden Fall. Ich für mich habe jedenfalls entschieden, dass für mich all diese Länder, in denen eine Variante diese Sprache gesprochen wird, zu meiner Geburtsheimat zählen.

Und ja, durch diese Sprache erlebe ich die Welt anders als ohne. Wenn jemand AirPod sagt, dann habe ich bei Pod die Assoziation “Boden”, also so eine Art “Luftboden”. Eine ziemlich witzige Vorstellung. Salvador Dali hätte dazu bestimmt ein surrealistisches Bild gemalt.

Wenn ich Glas höre, sehe ich nicht nur die Scheibe oder das Trinkglas, sondern spüre auch die Konnotation von Stimme, denn so heißt sie im Südslawischen: tvoj glas ist deine Stimme.

Also, um meine Empfehlung klarzustellen: Ich sagte “aus beruflichen Gründen”. Niemand sollte sich in Zukunft aus beruflichen Gründen quälen, Französisch oder Mandarin zu lernen. Dafür ist die Lebenszeit einfach zu schade, weil Sie nie so gut werden können wie die Übersetzungs- und Dolmetschermaschinen. Und wenn, dann nur in dieser einen Sprache. Wenn Sie aber der Klang des Französischen erregt, Sie die Melodie des Italienischen genießen, Mandarin Ihnen eine Emotion von Exotik erzeugt, Sie das Gefühl haben, dass Swahili Ihre Weltwahrnehmung erweitert, dann – feel free – genießen Sie das Lernen, Lesen, Hören und Sprechen dieser Sprachen. Als Hobby oder als Sprachwissenschaft ist jede Sprache sinnvoll und schön.

Welche Chancen eröffnen KI-Übersetzer?

Und jetzt? Was hat das mit der Zukunft Ihres Berufes und Geschäfts zu tun?

  1. Wo haben Sie in Ihrem Geschäftsmodell Berührungspunkte mit gesprochenen oder geschriebenen Fremdsprachen? Oder wo könnten Sie sie haben? Wo können Sie automatisierte Übersetzer und Dolmetscher einsetzen? Das geht für Texte, für Bilder, für Video, für Audio. Sie können sich in Zukunft praktisch mühelos und zu minimalen Kosten internationalisieren und globalisieren.
  2. Wo investieren Sie Geld und Mühe in die in Zukunft beruflich sinnlose Ausbildung in Fremdsprachen außer Englisch? Für sich selbst, für Ihre Mitarbeiter, für Ihre Nachkommen? Das würde ich überdenken.
  3. Wenn Sie sogar vom Sprachen-Lehren, vom Übersetzen und Dolmetschen leben, ist es nun wirklich höchste Zeit, dass Sie ein zukunftsrobustes Geschäftsmodell entwickeln. Entweder durch Ausrichtung auf Spezialgebiete oder die Entwicklung in eine Richtung, in der die Übersetzungsmaschinen dauerhaft dem Menschen unterlegen bleiben, so etwa in der direkten emotionalen und empathischen Kommunikation mit anderen Menschen.

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Ich wünsche Ihnen eine glänzende Zukunft!

Have a bright future!

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