Dr. Pero Mićić
Wie lange hält der Akku eines Elektroautos? Die einen sagen viele hunderttausend Kilometer, die anderen sagen, dass der Akku nach kaum 100.000 Kilometern Schrott ist und als Sondermüll entsorgt werden muss. Was ist jetzt wahr?
Warum ist die Lebensdauer von Akkus wichtig für unsere Zukunft?
Weil Batterien für eine gute Zukunft mit regenerativer Energie ein zentraler Faktor sind. Und weil Mobilität als eine der wichtigsten Branchen mit Millionen Arbeitsplätzen davon abhängt. Weil wir für eine nachhaltige und umweltneutrale Wirtschaft nicht nur die Mobilität, sondern fast alle Bereiche elektrifizieren müssen. Also weg von Öl, Gas und Kohle. Alleine durch Elektrifizierung würden wir auf der Erde 56% weniger Energie brauchen, sagt die Stanford-University in einer sehr umfassenden wie detaillierten Studie. Und das ist keine Träumerei. Es ist mit existierenden Mitteln und Ressourcen möglich.
Vor genau drei Jahren habe ich diesen Beitrag veröffentlicht. Werden sich Elektroautos durchsetzen? Meine Antwort war damals, dass in Europa um 2030 herum mehr als 80% der neu verkauften PKW batterieelektrisch sein werden. So wie es übrigens in Norwegen heute schon der Fall ist.
Über drei Jahre hinweg gab es unter dem Video zum Beitrag so dermaßen viele Kommentare von schlicht falsch informierten Leuten, dass es mich wirklich erschreckt hat. Wer besonders wenig wusste, war besonders aggressiv. Eine der falschen Annahmen dieser Leute war, dass der Akku eines Elektroautos kaum 100.000 km hält und dann als giftiger Schrott auf die Deponie muss.
Akku eines Elektroautos: Die Realität
Schauen wir uns die Realität anhand wissenschaftlich ermittelter Daten an. Die Quellen sind alle verlinkt.
Lithium-Akkus gibt es im Wesentlichen mit zwei verschiedenen Zell-Chemien. NMC und LFP. NMC sind die älteren Lithium-Ionen-Akkus mit Lithium, Mangan und Kobalt. Sie haben eine höhere Energiedichte. LFP sind die neueren Lithium-Akkus mit Lithium, Eisen und Phosphor. Sie sind preiswerter, auch weil sie kein Nickel und kein Kobalt enthalten, und sie sind sicherer, haben aber weniger Energiedichte.
NMC-Akkus
Das Tesla Model S war 2012 das erste Serienauto mit höheren Verkaufszahlen, das mit NMC-Akkus betrieben wurde. NMC-Akkus haben eine höhere Speicherdichte als LFP-Akkus und sie können schneller mehr Energie abrufen. Hier ist eine Übersicht von Realwelt-Daten. Jeder Punkt zeigt die so genannte Degradation der Batterie, abhängig von den gefahrenen Kilometern. Degradation bedeutet, dass ein Akku im Laufe seines Lebens durch Abnutzung an Speicherkapazität verliert. Erst schneller und dann immer langsamer.
Der Richtwert in der Praxis ist, dass ein Akku noch 70-80% seiner Kapazität haben muss, um in einem Fahrzeug eingesetzt werden zu können. Das Ergebnis ist hier, und das sind reale Daten von realen Autos, dass der Akku eines Tesla Model S, sogar in den älteren Ausführungen, nach 250.000 Kilometern immer noch über 90% seiner Kapazität hat. Hier in einer neueren Darstellung stehen auf der X-Achse 200.000 Meilen, also gut 360.000 Kilometer. Und es sind immer noch 88%. 360.000 Kilometer, so lange leben die meisten Fahrzeuge gar nicht.
Damit dürfte auch klar sein, warum so gut wie alle Hersteller acht Jahre oder mindestens 100.000 km Garantie auf die Batterie geben.
LFP-Akkus
Aber, es wird noch besser. Die Zukunft für die Masse der Elektroautos wird der LFP-Akku sein. Weil man diese Akkus problemlos auch auf 100% laden kann, weil sie billiger sind, weil sie im Winter weniger empfindlich sind, weil sie kein Nickel und keinen Kobalt, sondern vor allem Eisen brauchen und weil sie eine noch geringere Brandgefahr haben. Fußnote: Nach letzten Forschungsergebnissen brennen Verbrenner rund 19mal häufiger als Elektroautos.
Hier interessiert uns vor allem die Tatsache, dass LFP-Akkus noch viel länger halten als NMC-Akkus. Und wie lange halten LFP-Akkus nun? Hier gibt es viele wissenschaftliche Studien von verschiedenen Autoren-Teams. Beispielsweise diese:
Wenn man bei durchschnittlich 25 Grad lädt und fährt, hat der Akku nach 3.000 Ladezyklen noch 93% seiner Kapazität. Bei 15 Grad, was eher im europäischen Durchschnitt liegt, sind es rund 95%. Mit 90% sind wir auf der sicheren Seite. Zur Bedeutung der Ladezyklen kommen wir noch.
Nächste Studie. Hier werden die Ladezyklen in Abhängigkeit davon gezeigt, wie stark man den Akku aufladen muss. DoD, Depth of Discharge, Tiefe der Entladung. Ergebnis: Lädt man pro Ladung den Akku um 50% auf, die blaue Linie, hat er bei 3.000 Ladezyklen noch 90%. Lädt man häufiger und deshalb nur 30% auf, hat der Akku selbst nach 5.000 Ladezyklen noch 90%. Dass man immer von 0 auf 100% lädt, kommt in der Praxis aus naheliegenden Gründen nicht vor. Dass man immer 80% auflädt, kommt nur bei extremen Vielfahrern vor. Aber selbst dann hat der Akku nach 3.000 Ladezyklen noch rund 83% seiner Kapazität.
Die nächste Studie kommt zu leicht anderen Ergebnissen. Aber es bleibt dabei, dass im Regelbetrieb, ein Akku nach 3000 Zyklen noch rund 90% seiner Kapazität hat.
Wie viele Kilometer lang hält der Akku eines Elektroautos?
Was bedeuten nun die Ladezyklen? Ein Ladezyklus ist eine volle Ladung des Akkus. Nehmen wir eine heute eher niedrige Reichweite von realen 400 km. Europäer fahren im Durchschnitt 38 km am Tag. Man müsste also nur einmal in zehn Tagen für 400 km vollladen. Nehmen wir jetzt wieder vorsichtigere Werte an, dann muss man alle 5 Tage einmal vollladen oder jeden Tag 20% hinzuladen. Das zählt dann als 0,2 Ladezyklen.
Wenn der Akku eine Reichweite von 400 km hat, muss man 400 km mit 3.000 multiplizieren. Damit kommt man auf die unglaubliche Zahl von 1,2 Millionen Kilometern. Nehmen wir wieder pessimistisch an, dass die Degradation des Akkus direkt von Anfang an auf 90% fällt, hat der Akku nach 3.000 Ladezyklen und über 1 Mio. zurückgelegter Kilometer immer noch 90% seiner Kapazität.
Wohlgemerkt: Man geht davon aus, dass ein Akku im Fahrzeug noch 80% seiner ursprünglichen Kapazität haben sollte, um noch verwendbar zu sein. Führt man die Ergebnisse dieser Studien fort, ist man in der Regel selbst nach 5.000 Zyklen noch bei 80%. Das wären mindestens 1,8 Mio. Kilometer.
Und damit nicht genug: Der aktuelle Stand der Technik und Wissenschaft ist, dass ein LFP-Akku nach heutiger Technik bis zu 10.000 Ladezyklen vertragen kann, bis er in sein zweites Leben als stationärer Speicher eintritt. Das wären 3,5 Mio. Kilometer.
LMFP-Akkus
LFP-Akkus gewinnen immer mehr Marktanteil. Und schon ist die nächste Generation an Zell-Chemie auf dem Markt. So genannte LMFP-Akkus, die zum Lithium und Phosphor noch etwas Mangan enthalten. Die LFP-Akkus sind schon sehr überzeugend. Aber LMFP wird nochmal einen Leistungssprung schaffen. Sie werden noch länger halten. Man kann sie noch schneller laden. Und sie werden eine höhere Energiedichte haben, so dass die Reichweiten steigen. Gotion High Tech aus China, an denen VW als Mehrheitsaktionär beteiligt ist, ist gerade dabei, einen Akku für Elektroautos mit 1.000 km Reichweite auf den Markt zu bringen. Ziehen wir wegen dem sehr optimistischen Chinesischen Standard 20% ab, sind es immer noch 800 km. Und der Akku wird dafür nicht riesig sein müssen. Auch CATL produziert LMFP-Akkus, die womöglich schon in der nächsten Generation von Teslas arbeiten werden. Und auch einige kleinere europäische Unternehmen entwickeln LMFP-Akkus. Wir werden also gar nicht unbedingt die lang ersehnten Feststoff-Akkus brauchen, um schneller zu laden und weiter zu fahren.
Warum hält ein Auto-Akku länger als ein Handy-Akku?
Die ganz schlauen Kommentatoren schrieben, dass sie es ja bei ihrem Smartphone sehen, dass der Akku nach drei vier Jahren praktisch unbrauchbar ist. Was diese Möchtegern-Experten nicht wissen, ist, dass
- Ein Akku im Elektroauto von einem BMS, einem Batteriemanagementsystem überwacht wird. Die Zellen werden immer auf einer gesunden Temperatur gehalten, also je nach Bedarf erwärmt und gekühlt. Das erhöht die Lebensdauer enorm.
- Smartphones werden in der Regel täglich vollständig geladen. Elektroautos werden selten 500 und mehr Kilometer jeden Tag gefahren.
- Mittlerweile sind die Zell-Chemien in Elektroauto-Akkus deutlich weiter entwickelt als die in Smartphones oder Laptops.
Wofür brauchen wir so langlebige Akkus für Elektroautos?
Zu diesem Thema nur kurz: Erstens werden wir in einigen Jahren selbstfahrende Fahrzeuge erleben, die nicht nur ein bis zwei Stunden am Tag fahren, sondern 10 bis 15 Stunden. Sie werden also 300.000 km pro Jahr fahren. Dafür brauchen wir Akkus mit 5000 bis 10.000 Ladezyklen, die dann nach zehn Jahren ausgebaut und als stationäre Akkus weiter genutzt werden können.
Und noch eine zweite Anwendung gibt es. Wenn in Zukunft die meisten Haushalte oder eben die meisten Robotaxi-Flotten elektrische Fahrzeuge haben, können wir sie für Vehicle-to-Grid-Speicher nutzen, also die Akkus zum Ausgleich von Netzschwankungen nutzen. Ist mehr und billigerer Strom verfügbar, nimmt der Auto-Akku Strom auf und wenn weniger und teurerer Strom verfügbar ist, versorgt der Akku den Haushalt.
Und jetzt?
Es ist ein Mythos, dass der Akku eines Elektroautos nach kaum 100.000 km Schrott sind. Sie halten, wissenschaftlich und praktisch belegt, viele hunderttausend Kilometer. LFP-Akkus sogar weit mehr als eine Million Kilometer. Und ob sie danach Giftmüll für die Deponie sind, beantworte ich in einem nächsten Beitrag.
Das Schlimme ist, dass auch zu diesem Beitrag wieder Kommentare auftauchen werden, die schlicht behaupten, dass ich hier bewusst und absichtlich Lügen verbreite. Und dass ich von den Grünen bezahlt werde. Oder von einer ominösen “Elektrolobby”. Was haben diese Menschen eigentlich für ein trauriges Weltbild? Nein, liebe Verschwörungsideologen. Für die Verbreitung belegter technischer Fakten muss man niemanden bezahlen. Und: Die Chinesen sind es, die die Elektromobilität in unglaublicher Konsequenz und Geschwindigkeit ausbauen. Und in China gibt es keine Grünen!
Vor drei Jahren dachte ich, dass mein Beitrag zu Elektroautos eigentlich gar nicht nötig ist, weil es ja offensichtlich ist. Aber selbst heute und wohl auch noch in ein paar Jahren gibt es erstaunlich viele Menschen, die massenweise Opfer von Falschinformationen über Elektromobilität geworden sind.
Die deutsche und europäische Wirtschaft ist extrem abhängig vom Erfolg ihrer Automobilindustrie. Das sind nicht nur die bekannten Marken, sondern vor allem tausende Zulieferer. Und an jedem Arbeitsplatz in der Automobilindustrie hängen viele weitere Arbeitsplätze in anderen Branchen und ganze Familien und Regionen. Die Bedeutung der Akkutechnologie hat unsere Automobilbranche nicht verstanden. Der Vorsprung der Konkurrenz ist kaum einholbar.
Nein. Elektromobilität ist nicht eine Idee der Grünen. Das ist der große Irrtum der Ewiggestrigen und Fortschrittsängstlichen. Nochmal, in China gibt es keine Grünen. Die Chinesen sind extrem rational und strategisch. Sie wissen, dass batterieelektrische Mobilität technisch, wirtschaftlich und auch ökologisch die mit Abstand stärkste Alternative zur Verbrenner-Mobilität von gestern ist.
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